text: leowee | foto: prinz | berlin_frankfurt/m. 2004

_hotel poetry_eine schmonzette

»Ich hätte gerne das größte Zimmer, das Sie haben«, so kam ich hier an.
»Ihr Name?«
»Yolanthe von Leoprechting.«
Der Empfangsherr linste über seinen Brillenrand.
»Sie können auch Yola zu mir sagen.«
Der Herr nahm seine Brille ab, beugte sich über den Tresen und musterte mich.

Ich war windzerzaust, mit ungeputzten Zähnen, was auf die Distanz hoffentlich nicht zu merken war, ich kam direkt vom Mittelmeer, einen zerschlissenen Rucksack auf den Schultern.

»Ich glaube, ich werde berühmt«, behauptete ich, bevor er auf die Idee kam mich nach meinem Ausweis zu fragen.
»Ich spiele heute Nacht nämlich eine tragende Rolle in einer Schmonzette.« Dann setzte ich noch eins drauf:
»Das Stück spielt in Ihrem Hotel.«

Der Herr kniff die Augen zusammen, kratzte sich am Bart und blätterte in seinem Empfangsbuch.

»Dann wollen wir die Lady mal in unsere Präsidentensuite einquartieren«, sagte er schließlich.

Na bitte, der Mensch bewies Instinkt!

Er nahm einen Schlüssel vom Brett und steuerte auf ein Zimmer mit der Nummer 1A zu, gleich neben der Rezeption: meine Suite, nicht eben weitläufig, aber mit erlesenen Möbeln. Biedermeier, Kolonialstil, 70ies, alles dabei.

»Na, Ernie, wie haben wir das angestellt?«
Begeistert glubschte der Esel aus meinem Rucksack. Ich schaltete den Fernseher ein, ließ mich in einen Sessel fallen und zündete mir eine Gauloise an. Die Beine über die Armlehne baumelnd blies ich blaue Kringel gegen die Zimmerdecke.

Ich probierte das Telefon aus und orderte in der Rezeption zwei Piccoloflaschen Champagner. Dann inspizierte ich das Bad.

Alter Schwede! Nicht nur wirkten die schwarzen Kacheln urnobel, auch war der Raum doppelt so groß wie das Wohnzimmer. Noch einmal rief ich in der Rezeption an.

»Haben Sie Badezusatz?«
»Nur Rasierschaum.«
»Dann nehme ich den.«

Mit einer galanten Verbeugung brachte der Hotelier mir eine Dose Rasierschaum ins Gemach.

Ich drehte die Wasserhähne auf und sank kurz darauf in das herb duftende Schaumgebirge.

 

 
leowee liest in der badewanne im hotel am berg | frankfurt/m. | hotel poetry | 21. märz 2004 |
foto: prinz | 05-2004


Aus dem Fernseher nebenan puckert Techno. Die Augen geschlossen, synchronisiere ich meinen Herzschlag mit dem synthetischen Beat. Die Perlen des Champagners prickeln auf meiner Zunge wie ein kühles Wagnis.

Immer wieder lasse ich heißes Wasser nachlaufen. Die Haut an Händen und Füßen ist schon ganz schrumpelig. Die Packung After Eight, die zu meiner Begrüßung auf dem Wannenrand stand, ist leer genascht.

Die Betreiber des Hotels wissen nicht, dass ich das Zimmer nicht bezahlen kann.

Das Telefon schrillt. Ich schrecke zusammen. Erhebe mich aus dem Schaum. Hülle mich in meinen Morgenmantel und tapse, knisternde Fußabdrücke auf dem Teppich hinterlassend, durchs Zimmer.

»Ja bitte?« sage ich in den Hörer.
»Fräulein, Sie haben Besuch. Sind sie empfangsbereit?«
»Besuch?«
Ich werfe einen Blick auf die Uhr neben mir. Es ist kurz vor Mitternacht.
»Eine Dame. Scheint zu dem Stück zu gehören, in dem Sie mitspielen. Ich lasse sie zu Ihnen vor.«
Kaum hat der Witzbold eingehängt, klopft es auch schon an der Tür.

Verdammt, hat der jetzt die Bullen gerufen? Ich ziehe den Gürtel meines Morgenrocks fester und straffe den Rücken.